Wellness und Gesundheit

Die kleine Seele


Irgendetwas stimmte nicht. Es stimmte sogar ganz und gar nicht!
Gerade eben war noch alles ganz normal gewesen: sie hatte gemütlich in ihrem Körper gesessen, in dem sie lebte, und entspannt darüber nachgefühlt, was es dieses Jahr zu Weihnachten zu erledigen galt.
Sie war der wichtigste Teil des Menschen August Schaumalhin und tat ihr Möglichstes, diesem ungewöhnlichen Namen ihres Menschen gerecht zu werden. Zugegeben, es war nicht leicht, ihm die Dinge zwischen Himmel und Erde bewusst zu machen. Und was das Hinschauen ihres Menschen betraf....oh ja, da lag vieles im Argen, und sie hatte sich oft gefragt, warum sie für dieses Leben ausgerechnet einen sooo schwierigen Menschen gewählt hatte.
Doch es war gerade ein ganz schlechter Augenblick, um darüber nachzusinnen. Sie fühlte eine unbeschreibliche Leichtigkeit, und eine ungewisse Energie zog sie sanft und behutsam immer weiter nach oben. August redete auch nicht – oder sie hörte ihn nicht, denn sie fühlte sich wie in Watte gepackt.
Was für eine abstrakte Wahrnehmung...und doch war da etwas sehr Vertrautes, was sie spüren ließ, dass alles seine absolute Ordnung hatte.
Komisch. August hatte doch soeben beim Plätzchen backen noch gesagt, dass seine Mutter einst am Nikolaus-Abend vor vielen Jahren verstorben war, und natürlich war sie es gewesen, die ihn leise daran erinnert hatte. Es war sehr wichtig, dass ein Mensch sich an seine wichtigsten Menschen erinnerte, denn sie waren ja nicht weg, nur, weil man sie nicht mehr sehen konnte. Also war sie behutsam durch seine Erinnerungs-Herzkammer hindurch gezogen, damit sein Herz noch ein bisschen wärmer wurde in der Adventszeit – und dazu waren Mütter immer gut, ebenso wie innig geliebte Frauen, die eigenen Kinder, (auch Haustiere) und eigentlich jedes Lebewesen, das die Tiefen des Herzens eines Menschen erreicht hatte. Eigentlich war August ein ganz lieber Mensch, auch, wenn ihr Leben recht turbulent gewesen war. Bis dieser Kerl endlich mal etwas von innen heraus kapierte!
Was ließ sie um Himmels Willen nur so hoch hinaufsteigen, was passierte nur? Sie schaute nach unten und es durchfuhr sie ein maßloses Staunen: da unten lag sie...genauer gesagt, dort lag August...schon gut, der Körper von August, in dem sie zuhause war – eigentlich. Wieso war er da unten und sie hier oben? Warum waren sie getrennt? Sie verstand es nicht.
„Hallo, kleine Seele“, vernahm sie eine ebenfalls wohlbekannte Stimme, „ du musst loslassen!“
Verwirrt blickte sie um sich. Sie schaute ohne Augen. Die waren bei August, der weit unter ihr in der Küche vor dem Herd lag. Sie hörte ohne Ohren. Wer sprach nur mir ihr, und wieso konnte sie diese Stimme hören? Und was war mit August?
„LOOOOOSLASSSSEN!!“ die Stimme wurde eindringlicher, lauter. Sie durchdrang sie durch und durch. Wie sollte sie antworten?
„ Du hast keinen Körper mehr“, fühlhörte sie, „August ist tot, du bist auf dem Heimweg und so gut wie zuhause.“
Zuhause? Tot? August war tot? Aber dann hätte sie doch vorbereitet sein müssen, irgendwie! Schließlich war sie, wie gesagt, der allerwichtigste Teil von August.
Je mehr sie darüber nachfühlte, desto bewusster wurde sie. Zwar befand sie sich immer noch in diesem ungewohnten Schwebezustand, andererseits war alles sowas von normal...
„Hey, du. Kleine Seele, du musst jetzt endlich loslassen.“ Yep. Das hatte sie August auch immer gefühlsagt.
„Himmelhergottnocheins! LOOOOOSLASSEN- JETZT!“
Sie war ein Sensibelchen. Anschnauzen hatte bei ihr noch nie etwas geholfen.
„Deshalb heißt du ja auch Mimosa, du kleine Seele!“ vernahm sie eine wunderschöne und zarte Stimme, die sich beinahe lieblich anhörte.
„Komm“, säuselte diese Stimme, „ich geleite dich weiter. Du darfst wieder dein altes Wolkenzimmer einziehen – wie immer.“
Und August...?
„LOOOOOSLASSEN!! Jetzt MUSST du!!!“ diesmal nicht gerufen, sondern gebrüllt. Konnte es zuhause dermaßen laut sein?
Zuhause? Ach ja...zuhause!!
„Habe ich Feierabend?“ fragte Mimosa, die kleine Seele wortlos, was ein allgemeines, großes Amusement auslöste, sie fühlte es. Ach, wie herrlich war es doch, endlich einmal wahrgenommen zu werden, ohne sich anstrengen zu müssen! Ja, das war ihr Zuhause, völlig klar.
Wie hatte sie sich bei August immer ins Zeug legen müssen, damit er überhaupt mal etwas wahrnahm, was wesentlich – mitunter sogar drängend wesentlich war! Er hätte als junger Kerl beinahe den falschen Beruf gewählt und wäre tatsächlich Jahre später um ein Haar an der Frau vorbei marschiert, die mit ihr selbst verbunden war. Vor lauter Blockaden im Kopf - wäre sie nicht gewesen. Das muss Seele sich einmal vorstellen!
„Kenne ich!“ „Ich auch!“ „Und ich erst!“ Die verständnisvollen, spürbaren Stimmen anderer Seelen trösteten sie ziemlich.
Doch was hatte sie da gerade empfunden? Da war etwas ganz Besonderes. Es fühlte sich an, als sei sie schon da...ein Teil von ihr. Eine Seele, die mit ihr verbunden war, vielleicht?
„Du hättest mich nicht rufen brauchen, ich bin da, wie verabredet.“ Ohhhh...dieses Gefühl...dieses Gefühl von zuhause! Wie herrlich! Die kleine Seele erschauerte vor Erleichterung, Freude und Glückseligkeit.
Behutsam schwebte sie in Richtung der liebevollen Stimme, die sie so gut kannte. Ob sie wohl in ihrem Wolkenzimmer auf sie wartete?
„Geliebte Seele...“ August, wir waren ein tolles Team, aber das hier ist besser. Nein, nicht besser...verbundener, klarer. Kein bisschen anstrengend, sondern einfach still, normal und frei. Sie wurde wahrgenommen und angenommen, ohne Worte. Ohne dieses oder jenes machen zu müssen. Wie lange hatte sie gebraucht, um August klar zu machen, dass er nicht alles, was er tat, machen „musste“, sondern in der Überzahl der Fälle durchaus die Wahl hatte?
Wenn Herr Schaumalhin dies nur öfter einmal getan hätte!
„LOOOOOSLASSEN!“
Alles gut. Wie lange bin ich nun eigentlich schon tot, Entschuldigung: zuhause?
Sie hatte das Empfinden, dass sie jemand kräftig schüttelte. „Nun lass bitte endlich den Körper August los! Hier noch einmal die irdischen Daten, wenn du sie brauchst, um endlich loszulassen : dein August ist seit 6 Minuten tot. Sein Körper – nicht du!“
Wer bist du, der mir das bewusst macht?, fühldachte die kleine Seele.
„Na ich, deine Partnerseele!“
Hast du mich geschüttelt?
Ein leises seelischen Lachen: „Nein, ich habe dich gereinigt. Du bist doch ein klares Wesen.“
Die kleine Seele freute sich – und ihr Zuhause-Bewusstsein kehrte zurück. Stimmte ja: alle Seelen, die Zuhause sind, sind rein und klar, so ist ihre ursprüngliche Struktur. Sie war ja so glücklich wieder hier zu sein!
Die kleine Seele lächelte und begann zu strahlen und zu leuchten wie ein kleiner Stern. Ihre Funken sprühten in alle Richtungen und glitzerten wie Sternenstaub.
„Hey, hey, hey – nicht so übermütig!“ Diese Stimme war jedoch eine andere Instanz, sie spürte es sofort.
Es war die Unendlichkeit darselbst, die zu ihr sprach. Sofort floß sie hinein, ins große, glitzernde Qifeld. „Da bin ich wieder“, fühlflüsterte sie. Nicht untergeordnet und folgsam, vielmehr ebenbürtig, liebevoll ehrlich und pur. Nicht wie ein Kind, das nach langer Zeit verändert und gespannt zu seinen Eltern zurück kehrt, und Fragen über Fragen beantworten muss, sondern wie ein Familienmitglied, das nach seinen Lebenserlebnissen freudig nach hause zurück kommt und einfach angenommen wird – weil bewusst war, weshalb sie „unterwegs“ gewesen ist.
Das liebevolle Qifeld umgab sie wie eine Umarmung, strömte durch sie hindurch, ganz behutsam und unsagbar angenehm.
„Du bist sehr gut mit deinem Menschen umgegangen“, gab ihr das Universum zu verstehen, „ du hast dich weiterentwickelt und du hattest es nicht leicht mit diesem Sturkopf. Aber du hast es geschafft, das Sture deutlich kleiner werden zu lassen und die Blockaden aufzulösen, die Menschen so oft festhalten wollen, als hinge ihr Leben davon ab. Du hast sehr, sehr viel erreicht in dieser Inkarnation.“
Das Qifeld fühlte sich wie eine Umarmung an, so, als ob du dich selbst umarmst. Die kleine Seele war ganz stolz über soviel Lob.
„Aber nicht doch. Nicht ich lobe dich – du lobst dich selbst! Und nun ruh dich aus, geliebte Seele. Deine Partnerseele wartet schon.“
„Sie hat mich bereits gereinigt, ich habe sie schon getroffen. Wo wartet sie denn? In unserem Wolkenzimmer?“
„Nein! Ihr habt euch doch in Menschengestalt einst einen Stern „getauft“ und ihn den „Der kleine Prinz“ genannt. Dieser Stern ist nun auch wie gewünscht euer Zuhause – ein sehr schönes, übrigens. Hier dürft ihr sein, bis ihr erneut inkarniert und hierher kehrt ihr wieder zurück“, raunte die sanfte und kraftvolle universelle Stimme.
„Noch einmal..?“ fragten die kleine Seele und ihre Partnerseele zur gleichen Zeit.
„Ja, ich denke schon“, entgegnete die Qifeld-Stimme, die hauchzart durch ihre Seelenkörper glitt. Wie gut das tat!! „Ihr seid eine ganz besondere Seelenform, aber ihr habt noch einige wenige Unklarheiten. Alles muss fließen und eine Einheit sein. Dafür werdet ihr stets Inkarnationen haben, die euch äußerlich als „vollkommene“ Gegensätze sein lassen: Mann und Frau, die Herkunft unterschiedlich, die Erziehung ebenfalls, und das, was euch als einzelne Seelenteile ausmacht. Zusammen und innerlich seid ihr die perfekte Symbiose, es gehört so. Diese Symbiose gilt es zu erreichen, und ihr seid gut auf eurem Weg! Ihr habt euch bereits ungemein entwickelt. Für eure gut gemachten Hausaufgaben bekommt ihr eine weitere Verfeinerung eures Seins! Ebenso wie für euren Einsatz für andere Seelen. Das Einzige, was noch zu erfahren ist, müsst ihr nun hier Zuhause herausfinden. Ihr habt eine unendliche Weile für euch.“

Ihre Partnerseele umarmte und küsste sie – mit allen Gefühlen. Man darf sich das nicht so vorstellen wie Menschen es tun. Alles ist viel klarer, natürlicher, vollkommen „normal“ und ganz.

Während die beiden Seelchen sich liebevoll auf ihrem Stern, dem kleinen Prinzen, niederließen und sich unendlich lang liebten und tief austauschten, wurde eine von ihnen immer blasser. Die kleine Seele, die noch vollständig zuhause war, versuchte sie festzuhalten, doch sie spürte nur ganz tief in sich ein „Bis ganz bald, ich liebe dich - wir finden uns!“

Und auf einer anderen Erde wurde zur gleichen Zeit in einer anderen Welt ein Baby geboren, denn die Zeiten der Welt sind stets andere als die des Universums.
Es war ein kleines Mädchen, das nach ihrem ersten kräftigen Schrei, glasklar für einen Moment die Augen öffnete.
Sie waren von einem strahlenden grün – wie immer.

Vor ein paar Minuten wurde ein Junge geboren. Schaut nur, wie aufmerksam und zugleich fragend er in die Welt blickt. Es sieht fast so aus, als würde er jemanden suchen...